Kristine Greßhöner

12 Texte

Der Nachlass

Ich finde Sperma in meinem Bauchnabel. Ich hoffe, meine Mutter findet es nicht. Es hat dort überwintert, seit einem der letzten Dezember. Der Junge hatte damals gesagt, man wolle ihn bald zum Sänger kastrieren. Er sagte, er wolle es in zehn Jahren wieder abholen. Dann würde er mir damit ein Kind zeugen. Mittlerweile habe ich mich mit dem Sperma in meinem Bauchnabel angefreundet. Es kann reden und wir sprechen viel über Politik. Nun, zum Ende des 1000-Jährigen Reiches, bin ich alt geworden, von einem Tag auf den anderen. Mein Bauch ist seit gestern sehr faltig geworden und das Sperma ist unter einer Falte erstickt. Ich habe es nicht schreien gehört, das tut mir leid. Heute Morgen habe ich es nun in ein altes Marmeladeglas gefüllt und neben der Tanne im Garten begraben.

Miranda

Miranda, wie weit sind die Berge, fragte das kleine Mädchen. Miranda, wie tief ist das Meer? Miranda antwortete nicht. Sie saß schluchzend unter dem Birnbaum und die Tränen floßen an ihren schönen Brüste hinab auf den Boden. Miranda weinte. Das kleine Mädchen trocknete ihre Wangen und lief vergnügt hinunter zu den Apfelbäumen, an deren Ästen sich scharlachrote Kinderleichen im Wind wogen. Miranda stand nie wieder auf. Sie vertrocknete gemeinsam mit dem Birnbaum.

Küche
(–gelesen am Bielefelder Literaturtelefon–)

Am Tag. Er rinnt in meine Tasse. Schwarz, ja, schwarzer Kaffee, der Tisch ist gedeckt, gestern haben wir es auf dem Tisch gemacht. Deine Kratzspuren im Gesicht sind die Beweise. Belege der Nacht, die so schwarz war wie Kaffee. Im Zimmer hängt ein Duft von Geschlechtsverkehr und ich kraule deinen Nacken im Takt der Uhr. Du sitzt mit dem Rücken zu mir und liest die Tageszeitung. Ich trinke den Kaffee von gestern Abend, denn heute haben wir keinen mehr. Du hast letzte Nacht in die Kaffeedose uriniert und sie steht jetzt auf dem Abtropfbord der Spüle. Ich habe sie in heißem Wasser gebadet, während du auf dem Boden gekniet hast. Deine Zunge war warm und weich, meine Hände wurden faltig und Urin ist gut für die Haut.

Am Tag riecht es in unserer Küche nach Geschlechtsverkehr und jeden Besucher führen wir hinein. Alle sollen es wissen, dass wir es tun, das, worüber niemand spricht. Wir machen es auf dem Küchentisch, während dort noch die karierte Decke vom Frühstück liegt und auf den nächsten Morgen wartet. Du bist blind, darum machen wir es in der Nacht. Ich will nicht als einzige das Recht haben, dich zu sehen, darum – im Dunkel, in der Küche. Heute Nacht werden wir es wieder tun. Denn am Tag – sind alle Katzen grau.

Liebe mich

Die Falte meines Popos und die samtige Haut drücken an den rauen Untergrund. Ich sitze auf seiner Hand und er ist Schmied. Seine Haut ist ledern und faltig, und ich sitze mit gefalteten Beinen auf seiner linken Hand. Er isst ein duftendes Wurstbrot. Wenn er abbeißt, sehe ich hinein in seinen Rachen, die Krümel des Brotes verkleben den Gaumen und Spuckefäden glänzen im matten Licht. Er spricht, und ich wische mir die Brocken seines Mahles aus den Haaren. Ich möchte ihn lieben, denke ich, denn er ist ein großer Mann. Er ist Schmied, und ich sehe ihn jeden Tag die riesigen Hämmer schwingen. Sein rechter Daumen streicht mir unbeholfen über den Kopf. Es ist schade, dass ich ihn nicht befriedigen kann. Ich möchte ihn befriedigen, doch er ist Schmied und sehr stark, und eins passt nicht zum anderen. Ich spreize meine Beine ein wenig, rutsche von seinem linken Daumen und wandere zurück zum Weiher. Ich bin seine Lachsprinzessin, doch er weiß es noch nicht.

Immer

Ich bin der Mann, der morgen deine Wände einreißen wird. Ich möchte dich warnen. Denn Benn, ja, dem alten Cocker, nein, fass mich nicht an, deinem Benn habe ich gestern die Beine gebrochen. Es ist doch alles, ich meine, alles, alles, was kommt, was geht, ich meine, nein, ich will dich doch nicht heiraten! Es ist nur, ich will, also, ich will immer nur die Mäuse von einer Wand zur anderen laufen sehen. Lass uns den Weg zu Barbarossas Grab gehen! Du weißt doch, was man redet. Du erhältst die kleine Wahrheit dort. Und die Große? Ich weiß nicht, die kann ich dir verkaufen, fünf Gramm aus Amsterdam, das ist die große Wahrheit. Ich drehe mich auf dem alten, blauen Sofa der Bahnstation um. Mitten auf Gleis Sieben steht mein Sofa, es steht dort seit gestern Nacht, ich fand, es passe nicht mehr zu der grünen Tapete in meinem Zimmer, also habe ich es in Nachbars Bully gepackt, und wir haben es auf Gleis Sieben gestellt. Kein Zug ist hierhergefahren, ein Glück, ja, was für ein Glück, Marena, Magda, Mathilde, was für ein Glück, sonst wären wir überfahren worden, heidewitzka, das wäre eine Sauerei geworden. Ich steige wieder in den Bully, der gehört meinem Nachbarn, es ist früh um fünf, ich habe dich auf dem Sofa auf Gleis 7 gelassen. Sitzt da, wartest da, wartest, denn du bist meine Frau, also nicht verheiratet, aber du bist meine Frau, soweit alles klar. Bist beleidigt, habe deine Freundin angeguckt, letzte Nacht, du warst dabei, lagst aber mit dem Kopf in der Toilettenschüssel, ich habe drauf gepisst, weil ich so stoned war, ja, es tut mir immer noch leid, scheiße und heidewitzka. Ich schaue aus dem Fenster und die ersten Arbeiter fahren zu ihrer Arbeit, manche kommen jetzt erst nach Hause, haben letzte Nacht eine andere gevögelt, mehr war es nicht, ja, ich habe das auch mal getan. Meine Frau sitzt auf dem Sofa und neben ihr sitzt ihr Köter mit gebrochenen Beinen, beide warten auf mich, und ich warte auf den ersten Zug, der das Problem für mich erledigt, umfährt und so. Ich bin nicht brutal, bin nicht perverser als mein Nachbar, dessen Bully ich fahre, heidewitzka, ist der durchgerostet, naja, gestern war noch alles in Ordnung und so, und wir wollten, glaube ich, heiraten, aber das war gestern, und wer sagt schon von sich, dass er im Gestern lebt, ich tue das nicht. Man, jetzt merke ich doch den Hunger auf Brot, ich will dich küssen, nein, eher dich berühren, nein, einfach dich riechen, denn du riechst so gut. Ich habe gesehen, dass die Ampel auf Rot sprang, rot wie deine Lippen, ich habe gesehen, wie sie auf gelb sprang, lass uns bis ans Ende der Welt fahren, hast du gestern gesagt, aber ich fahre jetzt mit Nachbars Bully und dem sage ich so was auch immer wieder zärtlich, bitte, bitte fahre mich bis zur nächsten Tankstelle. Macht der auch brav, nur du lässt mich immer hängen, wenn du trocken gelaufen bist. Das Leben ist eine Mandarine und ich sitze im faulen Fruchtfleisch vergraben. Dann pellst du meine Mandarine und hopp, sitze ich, der Hiob, auf deinem Frühstückstisch. Alles Weiße in meinem Kaffe ist Mehl. Meine Euter gaben früher mal Milch, oder? Na, schon ausgeschlafen? Mathilde, das Wasser kocht! Oma Magda, aufstehen, die Neffen und Nichten, hallo, aus den Betten geschüttelt. Es sind 500, weißt du, 500 Nichten und Neffen an der Zahl.Amerika, dorthin werden die 500 Nichten und Neffen gehen, später mal, wenn sie groß sind, na denn, Hals und Beinbruch ihr alle. Ach, mein Herz ist so schwer, das Wasser ist mir ausgegangen auf meinem Weg, und morgen kaufe ich mir ein Boot. Heute reicht noch der Bully. Man überlege sich, gestern hatte ich nur ein Fahrrad. Was für Zeiten, Marena, was für Zeiten. Ich möchte den Kopf schütteln, muss in den Rückspiegel sehen. Es gibt Frühstück im Hause meiner Großmutter. Heidewitzka, unser Brot von gestern ist noch da, Teil der elenden Vergangenheit mit meiner Frau. In den Nachrichten höre ich, dass auf Gleis Sieben ein Sofa steht, es ist gelb und groß, und man musste es von den Gleisen schaffen. Morgen werde ich wieder die Nachrichten hören. Vorher werde ich den Bully meines Nachbarn ausleihen, das blaue Sofa, meine Frau und den Hund nehmen und alle auf Gleis Sieben zurücklassen.

Seidenwahn

Seidenstrumpfhäkeln. Nadeln, die führen den Faden zwischen die anderen. Jemand wartet. Wo ist meine Antwort? Ich sitze auf einem Stuhl und du musst an mir vorbei. Ein schmaler Gang ist es. Ich sehe in die Ferne. Eins links, eins rechts, eins zwo. Nein, ich gucke nicht. Nein, ich sehe nichts. Haare wandern. Etwas kommt näher. Olala, das bist du. Kommst aus deinem kleinen, dunklen Tal hier herauf an die Oberfläche. Dann. Der Moment, dass du an mir vorbeigehen musst. Ich sehe dich direkt an. Du siehst verstört hinweg. Irgendwohin. Ich weiß nicht, welches Objekt deine Augen mit ihren Blicken abtasten. Ich kann mich nicht mehr beherrschen. Es klappt nicht mehr. Hallo! Ich schreie, ich kreische, ich zeige mit meinem Finger auf dich. Auf deine Gestalt. Mit dem kleinsten Finger. Wir rocken das Haus und kommen niemals wieder raus. Mein Lachen übertönt euch alle. Weißt du, wie lächerlich du gucken kannst? Hoffentlich. Ganz toll. Dein Grinsen stirbt ab. Ich muss Luft holen. Irgendwo klingt mein Echo nach. Es klingt, es klingt, jemand holt einen Eimer Sand und erstickt es. Schade. Die Musik wird wieder lauter. In der Ferne sehe ich dich sitzen. In der Ferne scheinst du unantastbar. Völlig durchsichtig zu sein, doch einer Existenz entschwebt, in der man wieder Erde sieht, die zwischen den Köpfen der Andersdenkenden hindurchrieselt und sich hinabwendet und wieder vergeht und das bleibt, was sie ist. Erde. Weißt Du, ich habe dich gestern noch gekannt und dann nie wieder. Ja, ich habe dich noch vor 24 Stunden gekannt und hatte Vertrauen und hey, glaubst du mir, wenn ich sage, dass ich dich noch vor 4 Stunden geliebt habe? Nein, wahrscheinlich nicht, wenn du es willst. Ich schweige. Du weißt es ja nicht. Dann sage ich tagelang nichts und gedenke. Gedanken an das Gedenken. Eine Ode an Leo. An Sarah. An Gott. Sie sind nicht tot, wie das Erkennen zwischen dir und mir und mir und dir und uns und jemandem, der zwischen uns steht und dem Tod und Sex und Flucht und Schindluder. Ich weiß jetzt, dass die Plexisglasscheibe sich verdickt haben muss. Die stand hier immer rum. Immer Undurchdringlichkeit. Kann mir mal jemand eine Spitzhacke leihen? Ich brauche eine Spitzhacke. Eine ziemlich stabile. Und jetzt denkt man nach und erkennt, dass diese Plexiglasscheibe von Anfang an zwischen uns stand und wir sie nicht durchbrechen konnten. Was denkst Du darüber? Du? Du kleines Individuum, dass du dich hinter diesen zwischenentwickelten Waberungen und Ablagerungen aufhälst. Na? Ich nehme die Spitzhacke und hacke deinen verdammten Schädel auf und die Gehirnflüssigkeit spritzt und die Augen quellen leicht heraus und ich nehme eine Nähnadel, nein, eine Stopfnadel und bohre deine Augen heraus und schneide die wenigen Haare auf deinem Kopf ab und dann… Was wollt ihr ? Lasst mich los! Ihr wollt das doch so, wie ich es sage. Ich wälze mich in dieser Lache und Guten Appetit. Ihr Dreckskerle! Meine Idee der Existenz einer Daseinsberechtigung, die vor allem anderen steht und auf euch spuckt, auf euch kotzt, sich die Gedärme aus dem verfluchten Leib schneidet und sie auf euch drauf schmeißt und dann sagt jemand in die Stille der Kälte hinein: “Suppe fassen!” Mario schreit es in die Welt. Dann kommen die verfluchten Geier und hacken an den Gedärmen rum. Das stinkt. Alles dampft. Das ist normal. Ich sitze knapp hinter ihnen und mache Fotos von der Völlerei. Immerhin sind die Fotos schwarzweiß und lassen sich gut als Massaker an einer zehnköpfigen Familie verkaufen. Die Zeitungen sind voll von meinen Fotos von Gedärmen, die von Geiern zerhackt werden und ich erfahre aus den Nachrichten, dass ich wohl im Jemen war und es roch wie aus Suppenkübeln. Suppenkübelgedärme. Nein, die Hypothese ist abgefahren, das stimmt doch nicht. Völliger Blödsinn. Ich bin beruhigt, lasse die Beine durch die Gitter baumeln, und hey, ich gehe heute Abend Abtanzen und Ablachen und Luft holen. Ein zweites Gedrehtes fliegt hoch, so hoch. Der Himmel ist noch zu niedrig.

Wer hält mich fest an meinen Schuhsohlen, dass sie abfallen mögen. Niemand, niemand. Ein Kleinkind lästert. Kriegst Du meine Sohlen zu fassen, dann möge die Nadel der Machetenwerfer dich durchbohren, bis aufs Blut. Bis aufs Knochenmark. Yes, Mister, ich komme wieder zum schmalen Gang zurück. Das Haus rockt. Rockt mich um. Nein, das schafft es nicht. Wieder dieses ich-bin-zufrieden-mit-der-Welt-aber-leider-gibt-es-keine-Welt-Lachen der Falten in meinem Gesicht. Verkauf dich nicht, sonst beräuber ich dich. I’m back in the Bunker with you. Hallo, wo bist du denn? Wo ist mein kleiner Kater? Miez,miez,miez. Ah, da kommt er aus den Boxen gekrochen. Na, mein Kleiner, Mama hat ein paar Leckereien für ihr Schätzchen. Na, komm Süßer, komm her. Die verkrampften Arme, zwei Linke und zwei Rechte, von zwei gestrandeten Trampern. Zwei Jungs mit T-Shirts, die waren vorher noch weiß, mit roten Schriftzügen. “I’m a lonesome traveller.”, sagte ich ihnen. Doch sie langweilten mich. Der Strahl aus der Wasserpistole traf sie exakt. Och, Katerchen. komm doch mal her. Schmatzend werden die mitgebrachten Stücke verdrückt. So ist’s fein. So möchte ich das sehen. Und der kleine Kater verdrückt die Arme bis auf die kleinste Sehne. Dann trollt sich der Süße wieder hinter die Boxen. Endlich bin ich die Tüten losgeworden. Wurde ja auch Zeit. Die Tanzfläche ist voll. Sie wissen, wer ich bin. Was ich bin. Mit wem ich bin. Wie weit sie gehen dürfen. Respekt von allen Seiten. Wo ist denn mein Ex? Ach, da ist er ja. Kommt auf mich zu. Geht fast an mir vorbei. Streift mich fast. So ein böser Junge. Kennst Du Tabus? Blicke aus Feuer. Du musst selbst die Matheaufgaben mit Leidenschaft machen. Saschas Aussage, Berlin. Jemand, guckt, beobachtet und möchte mal? Was? Er will was? Ne, Du hattest so viele Chancen, da geht nix mehr. Gar nichts. Aber trotzdem. Die Ehemaligen schmecken am besten. Der alten Weisheiten Taubheit wurde von mir verdrängt in die Zeit nach zwei nullnullnull. Siehst Du die Hörner auf meiner Stirn sich winden? Hörst Du die Schreie derer, denen man die Beine abschlug mit einem stumpfen Ding? Ja, womit? Mit PingPongSchlägern! Hilfiger? Ja, vor mir strahlt eine Jacke. Das Mädel hat sich noch nicht mal die Beine rasiert. Wer soll da denn wohl sein Nest bauen? Ach, der Rock ist aus Cord und echt zwei Inch lang. Socken, die rocken in Grün und Gelb und ein bisschen Orange. Und darunter trägt sie keine durchsichtige Strumpfhose. Sie kann nicht häkeln! Unter der dollen Jacke – wie viel die wohl gekostet haben mag? – trägt sie eine durchsichtige Chiffonbluse in schwarz und darunter einen schwarzen Spitzen-BH, der wahrscheinlich noch teurer als die Jacke war, weil an ihm so wenig Stoff ist, dass er einfach teurer gewesen sein muss. Man, sie kann keine Seidenstrümpfe häkeln, verfluchtes Weibsstück. Am nächsten Morgen wird mein Exfreund zwischen meinen Beinen liegen. Er hat sich übergeben müssen. Warum tue ich das meinem Leben jeden Abend an? Ich hasse ihn, denn Hass ist beständig.

Vergletschern

Sie hieß Meine Liebe, und ihr Atem stank nach Lebertran, und als ich ihre Scham berührte – nur mit der Zungenspitze –, dachte ich, es sei Winter, denn sie schmeckte wie das Eis, das morgens in den Gräsern der Wiese erstarrt. Meine Liebe war groß und stark, ja, wirklich, ihr Gemüt war eine Blumenwiese, in die ich meine Wurzeln hineinsprießen ließ, doch ich tat dies nur im Winter. Sie war eine Winterfrau und ich liebte sie an jedem Abend, doch nie am Tage, denn der Sonnenschein ließ ihre Scham schmelzen. Sie war hüftabwärts ein wenig aus Eis, doch ihr Atem stank nach Lebertran, und trotz allem war sie meine Winterfrau. Die Spitzen ihrer Brüste schmeckten nach Erdbeeren, und ihr Haar roch nach frischem Honig, und unter meinen Händen ward sie zur Sonne, doch ihr Atem stank nach Lebertran. Ich genoss die Sonne, wie sie es sich gefallen ließ, abends strahlte sie und zog mit ihrem wiegenden Leib zarte Linien und Biegungen und Ecken von Lichtstrahlen über mein Gesicht. Meine Liebe endete eines Morgens in einem Wassereimer, denn trunken von der Nacht fiel sie hinein, und ihr Eis ward eins mit dem Wasser. Ich goss das Wasser über die Gräser der Wiese und dachte, dass ihr Atem nie wieder nach Lebertran stinken würde, doch sie blieb für immer Meine Liebe.

Nymphe

Ich tanze auf einem schwelenden Boden und das Wehen am Morgen verwischt die Tränen auf meinen Wangen. Möchtest du die Nymphentänze mit mir tanzen? Enttäuschung ist mein zweiter Vorname, doch meine Flügelchen spreizen sich mutig gen Himmel, so dunkel er die Wolken auch spannt. Ich bin die Nymphentänzerin und will ohne ihn weiterschweben, doch die Federn hängen lose herab und meine Flügel sind schlaff. Ich brauche Flüssigkeit, dass ich nicht vertrockne, ich brauche Mut, dass ich nicht versinke in seinem Morast. Der Himmel scheint trügerisch eine Pfütze zu sein, doch dann, auf der Rückseite des Spiegels, watet man durch den Dreck. Lass mich gehen und fliegen, vielleicht direkt zu meiner Selbstzerstörung, vielleicht kommt der Absturz, denn Nymphen sind unvorsichtige Wesen. Ich will das, was ich schon vor tausenden Jahren kommen sah, ich will hinein in die Sonne und dort mit dir verschmilzen zu einem Klumpen, der irgendwann auf einem Regenbogen herabrutschen wird. Und dann? Platsch, hinab auf die Erde. Adieu, Nymphenfrau, die Zeit mit dir war wunderschön.

Eis

Ich will das Eis brechen, das aus meinen Armen wächst. Die riesigen Eisstangen, die dort, unterhalb der Ellbogen hervorluken. Ich will mir ein Feuer suchen und versuchen, die Löcher, aus denen die Stangen wachsen, zu verbrennen. Im Sommer tropft es auf den Boden, die Arme angewinkelt, merke ich, wie die Eisstangen, die dort hervorstechen, langsam und bedächtig schmilzen. Ich tropfe und alle wollen an mir lecken, denn ich bin unterhalb der Ellbogen so wunderbar kühl. Mein Leben begann in einem Kühlhaus. Sorgfältig putzte meine Mutter dieses und saß des öfteren betrunken auf den Kühlaggregaten. Sie verkühlte sich ihre Geschlechtsorgane. Mein Vater nahm sie eines Tages wohl auf der Kühltruhe. Nun bin ich ein Eiskind und im nächsten Winter werden die Eisstangen wieder anschwellen, so dass ich kaum meine Arme heben kann. Ich bin ein Kind des Kühlaggregats und mein Freund ist der Schnee.

Bettruhe

Sie ist die Frau seiner Schwester, flüsterte sie ihm zu. Er nickte und betrachtete verstohlen die Porträts seiner Frau an der Wand. Der Mann blickte auf und begann sich seinem Blickfeld zu nähern. Er starrte immer noch auf die Porträts seiner Frau, als jener Mann auf ihn zutrat, seine Hand nahm und ihn ins obere Stockwerk führte. Man sah zwei Männer, die verließen die Feier Hand in Hand. Jene Frau, die den einen der beiden Männer angesprochen hatte, nahm ihre Handtasche und folgte den beiden in die oberen Stockwerke. Sie wollte, dass die beiden ihre Brustwarzen abbissen. Es ist schön so, wie es ist, sagten ihr die Männer.

Perlen

Ich möchte mir Perlen kaufen in einem Geschäft, in dem die Endzeit mir einen Stuhl heranschiebt. Ich möchte aussehen wie die Frauen auf dem Catwalk. Ich möchte nicht mehr kotzen. Ich möchte mehr Koks hinter der Jesusfigur auf dem Altar verstecken. Ich möchte mir Perlen kaufen, sagte ich ihm. Er kam näher. Ich warf meine Bluse in den Gartenteich. Er kam näher. Ich will dich, sagte ich ihm. Ich warf meinen Rock über die Gartenstühle. Ich hasse ihn, ich hasse ihn, ich hasse ihn. Er kam näher. Du bist ein sehr attraktiver Mann, sagte ich ihm. Mein Slip flog auf die Gladiolen. Er kam näher. Ich hasse den Krieg zwischen uns, ich hasse mich, ich hasse die Liebe. Er war am Rasenmähen und dann kam er in mir. Ich ging, um mir Perlen zu kaufen, und kehrte nie wieder zurück.

Wasser

Du hast dir eine Wasserläuferin gekauft. Ich habe dich letzte Woche im Supermarkt um die Ecke gesehen, da hast du sie gekauft – für einen Blick und einen Kuss. Sie anstatt meiner wird dich über das Wasser führen. Ich weiß, ich bin verloren, eine arbeitslose Wasserläuferin, manchmal torkelnd, doch immer an der Oberfläche. Ja, ich weiß, morgen ist Sonntag, ich werde mich morgen ertränken, wenn die Kelche der Blüten mir einen Stuhl reichen. Auf diesem Stuhl werde ich auf den warten, der eine Wasserläuferin sucht, die ihn ans nächste Ufer bringt. Vielleicht bin ich verloren, doch jemand wird mich wiederfinden. Er wird mich finden und mich vor dem Sonntag retten.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

%d Bloggern gefällt das: