Bright Angel

SLEEPING TIME
Kurzgeschichte

Elena, Elena, wo willst du hin? Ja, weißt du es denn, ja weißt du es denn? Wusste sie es? Nicht so ganz. Sie stand in der Bar, in der ziemlich viel Rummel war, junge Leute wie auch sie, hauptsächlich Bier, und Musik, die war wichtig, gute, eher laute Musik. Die Schnösel tranken kleine Biere, alle anderen große, 0,5 Liter, so auch Elena, die waren die große Mehrheit. Sie war alleine hier, aber sie kannte sich gut hier aus, es war die Landeshauptstadt, in der sie seit elf Jahren lebte, und in dem Lokal war sie öfters. Im Moment wohnte sie bei ihrer älteren Schwester, doch heute hatte es einen Streit gegeben Sie war ohne dem Wohnungsschlüssel weggegangen. Sie blickte auf ihr Handy, 23:57 Uhr. Sie konnte Simone, ihre Schwester, nicht aus dem Schlaf heraus läuten. Wenn es um Leben oder Tod ginge, schon, um es zu präzisieren, aber das tat es ja nicht. Elena war leicht angetrunken, stand etwas abseits und beobachtete die Leute im Lokal. Draußen regnete es, es schüttete, Wasser fiel vom Himmel. Sie hatte keinen Schirm. Als sie losgegangen war, war es trocken gewesen. Mairegen lässt mich wachsen, dachte Elena. Ist nicht nötig, ich bin groß genug.

Der Tag hat wohl schon zum nächsten umgeblättert, überlegte sie. 00:03 Uhr zeigte ihr Handy. Naja, was sie wollte, war schon irgendwann irgendwo schlafen zu können, ohne in Probleme zu geraten. Sie bemerkte, dass ein junger Mann sie gelegentlich ansah, geradezu verstohlen. Sie kannte ihn nicht, er schien neu hier zu sein. Dunkelblonde Haare, helle Augen, dünn, ungefähr Elenas Alter, garantiert als hübsch zu bezeichnen. Er war offensichtlich auch alleine hier. Er trank etwas Durchsichtiges mit Zitrone aus einem länglichen Glas, wahrscheinlich einen Gin-Tonic. Ein großer Redner war er wohl nicht, gerade jetzt einmal bestimmt nicht. Das bin ich ja auch nicht momentan. Er ist ein Schauer. Ich bin eine Schauerin. Mit dieser Überlegung knüpfte Elena ein dünnes Band zwischen ihm und ihr.

Für eine Frau ist es ja leicht, Kontakt herzustellen. Der Mann sieht zu ihr, sie sieht zurück, optional leicht lächeln, um sicherzugehen. Er setzt sich in Bewegung und kommt zu ihr. Genauso war es auch in diesem Fall. „Hi“, sagte er, „wie heißt du?“ „Elena“, sagte sie, „und du?“ „Pepi“ „Wie?“, fragte sie. „Na Josef, Pepi eben“ „Verstehe“, sagte Elena. Vielleicht hätte sie, als sie jünger war, gefragt: „Kannst du nicht einen coolen Namen haben? Flash zum Beispiel“, aber heutzutage, wozu? Josef der Nährvater, ein ländlicher Name, Josef war okay, Pepi eben. „Was machst du?“ „Was tust du?“ „Studentin, Psychologie.“ „Vertreter.“ Ein logischer Gesprächsverlauf, aber Vertreter? „Ja, für Elektronikbauteile.“ „Und wo kommst du her?“, fragte Elena. „Aus Linz, und du?“ „Von hier, naja, eigentlich aus einem Bergdorf, aber ich bin schon lange hier.“ Er ist nett, fand Elena. Sie sieht super aus, und sie ist nicht auf den Mund gefallen, meinte Pepi. „Wo schläft du hier?“, fragte Elena weiter. „Im Hotel Mondschein“, antwortete er. „Aha.“ „Willst du auch die Sterne wissen?“ „Warum nicht? Sagt mal!“, insistierte sie. „Zwei.“ „Oje!“

„Darf ich dich auf ein Getränk einladen?“, fragte er. Na endlich, das wurde auch Zeit! „Das ist nett“, sagte sie, „ich nehm noch eines“ und trank ihr Bierglas leer. Er tat dasselbe mit seinem Glas, dann ging er zur Theke und bestellte. Mit zwei großen Bieren kam er zurück.

Sie tranken, und sie redeten. Man kann sagen, dass das Trinken wichtiger war als das Reden, denn das Gespräch blieb an der Oberfläche, entweder wollten weder Elena noch Pepi sich offenbaren, oder sie waren einfach zu faul, tief zu graben und hochgeistige Sachen von sich zu geben, oder einfach zu vorsichtig – das ist es ja meistens. Pepi holte noch einige neue Biere. Elena vertrug den Alkohol gut, sie musste ihn gewöhnt sein. Sie war angesäuselt, aber mehr nicht. Sie konnte flüssig reden, bekam keinen Schluckauf und bewegte sich normal. Pepi versuchte, sie zu berühren. An der Hüfte, am Unterarm, an der Hand. An der Hüfte klappte es, aber anderswo wich Elena aus. „Sag mal, wo wohnst du denn?“, fragte er. „Ja, das ist so eine Sache“, sagte sie. „Na welche denn? Erzähl schon!“ Und sie erzählte, von der Schwester und dem heutigen Streit, und dass sie für diese Nacht de facto keinen Schlafplatz hatte. Besser kann es ja für einen jungen Mann auf Aufriss gar nicht laufen! „Ja, dann komm doch einfach mit zu mir“, schlug er vor. Elena sah die Freude in seinem Gesicht. Er wirkte wie ein kleines Kind, das gerade ein Geschenk bekommen hatte. Sie sagte nicht gleich etwas, aber dafür er: „Ich habe ein Doppelbett.“ „Das ist ja schön für dich, Pepi“, sagte sie. „Hör mal, ich könnte mir vorstellen, mit dir zu kommen, aber damit das klar ist – ich lutsche nicht deinen Schwanz für ein paar Stunden Schlaf.“ „Wir schlafen also nur ruhig nebeneinander“, stellte Pepi fest. „So soll es sein. Wenn das für dich okay ist, dann komme ich mit dir“, sagte sie. „Ist gut“, sagte er. Er zahlte, auch die Getränke, die Elena vorher gehabt hatte, sie tranken aus. Sie holte ihre Jacke vom Kleiderhaken, er ging zum Schirmständer. „Schau, was ich habe“, sagte er. Es war ein silberner Schirm, auch der Griff war silbern.

Draußen spannte er ihn auf. Auf seiner Innenseite war ein Sternenhimmel in Silber. Elena hakte sich bei Pepi unter. Sie gingen los. Sie hatten beide gut Platz unter dem Silberschirm. Der Regen prasselte und sagte: „Für den, der keine Unterkunft hat, bin ich schrecklich ungemütlich.“ Sie gingen Richtung Osten. Wie in kleinen Bächen floss das Regenwasser über den Asphalt, wo es leicht abschüssig war. Sie passierten den Neuen Platz. „Ah, die Echse“, sagte Pepi. „Ja, der Lindwurm, das weißt du doch bestimmt“, sagte Elena. „Klar doch“, sagte er. Alle Lokale bis auf Spielhöllen und Nachtbars hatten inzwischen zu. Es war auch niemand außer ihnen jetzt unterwegs. Sie redeten nicht, sie gingen bloß dahin in einer mittleren Geschwindigkeit. Jetzt tauchte sie schon auf, die Straße, an der das Hotel lag. Rechts, ein paar Meter noch, ein gelbes Haus, das war es schon.

Pepi hatte einen Schüssel, mit dem er die Eingangstür aufsperrte. „Mein Zimmer ist im zweiten Stock. Willst du gehen, oder nehmen wir den Lift?“, fragte er Elena. „Gehen ist gut“, erwiderte sie. Pepi ging voraus. Das Hotel war von der schäbigeren Sorte. Pepis Zimmer hatte die Nummer 14. Nun waren sie beide drinnen. Bett, Tisch, zwei Stühle, Kasten, etwas beengt, dazu Bad mit Dusche und WC. In den 1960er Jahren war das guter Standard gewesen, heute war es darunter. „Checkst du morgen aus?“, fragte Elena. „Du meinst heute – später. Ja, in der nächsten Nacht werde ich in der Steiermark schlafen. Laut Hotelordnung muss man bis elf das Zimmer geräumt haben. Ich glaube aber nicht, dass das Hotel voll ist, und außerdem bin ich öfters hier, es macht also nichts, wenn es später wird. Du musst aber bitte vor mir gehen, sonst müsste ich für eine zweite Person zahlen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus“, sagte er. „Nein, nein, ich verstehe das schon“, bekräftigte sie, obwohl sie das schon unangenehm fand, sich wie eine Diebin aus dem Hotel schleichen zu müssen. „Hast du vielleicht eine Zahnbürste für mich“, fragte sie. „Du kannst meine nehmen“, sagte er. „Schau“, er ging ins Bad und zeigte sie ihr, „sie ist dort. Willst du dich duschen?“ „Und du siehst mir dabei zu. Nein danke.“

Sie machte sich bettfertig – putzte die Zähne, wusch sich ein wenig, zog die Schuhe und ihre Jeans aus und nahm den BH ab, der rot und durchbrochen war, ebenso wie ihr Slip –, dann sah sie aus dem Fenster, wo die Straße war, parkende Autos und die Nacht und die Stille. Es ist schon seltsam, in der Stadt, in der ich lebe, in einem Hotel zu schlafen, dachte sie. Sie legte sich auf die Fensterseite des Doppelbettes und deckte sich zu.

Bald danach kam er. Er hatte eine blaue, enge Unterhose an und ein gelbes T-Shirt, das er wohl zum Schlafen nutzte. Er schaltete das Nachtkästchenlicht auf seiner Seite an, alle anderen Lichter löschte er. Er legte sein Handy auf das Nachtkästchen. Ob er einen Weckalarm eingestellt hatte, wusste Elena nicht. Er sah sie an. Sie sah ihn an. „Okay, wenigstens ein Küsschen kriegst du“, sagte sie. Sie küsste ihn ohne Zunge auf den Mund. Er löschte das letzte Licht. Das war’s, sleeping time.

Elena hatte nichts dagegen, dass er seinen Arm um ihre Hüfte legte. Sie schlief nach ein paar Minuten ein, fast ohne sich vorher noch zu rühren. Noch einige Minuten später folgte ihr Pepi in den Schlaf.

Er atmete langsam und war ganz ruhig. Pepi schlief den Schlaf des sich Ausrastens. Plötzlich bemerkte er, dass das Licht an war. Etwas knallte. Das Geräusch passte nicht hierher. Oder doch? Doch. Elena stand in einer engen, schwarzen Lederkluft vor dem Bett, in dem er lag. Der Platz für die Brüste und ihre Scham war ausgespart. In der Hand hielt sie eine kleine Peitsche. „Komm, Sklave“, sagte sie, wobei sie die Peitsche wieder in der Luft knallen ließ, „zieh das hier an!“ Sie zeigte auf eine rote Lederkluft. Pepi setzte sich im Bett auf. Nein zu sagen war nicht möglich. Er zog die Lederkluft an. Der Hintern und sein Gemächt waren frei. „Auf alle viere!“ Pepi folgte. Elena zog mit der Peitsche über seinen Hintern. Au! „Kein Ton!“, befahl Elena. Sie legte ein nietenbesetztes Halsband um seinen Hals, an dem eine Leine befestigt war. Die Leine war kurz. Elena hielt sie in der anderen Hand. „Du bist jetzt mein Hund, hast du verstanden?“, sagte Elena. „Ja“, antwortete Pepi. Das war ein Fehler. Elena riss an der Leine. Kein Ton!, hatte es geheißen. Dann führte sie ihn ins Bad, wo ein Fressnapf voll Hundefutter und ein anderer mit Wasser standen. „Mahlzeit, lass es dir schmecken, Hund!“ sagte sie, „und danach darfst du mir die Möse lecken.“

Elena hatte sich gerade im tiefsten Schlaf befunden, da drang künstliches Licht in ihre Augen. Pepi lag nackt auf dem Bett des Hotelzimmers und sagte: „Komm, meine Herrin, binde mich!“ Wieso sollte sie das tun, es bestand doch keine Veranlassung? Sie registrierte, dass sie auch selbst nackt war. Gut, und warum sollte sie es nicht tun? Auf seinem Nachtkästchen lagen einige große Kabelbinder. Sie wusste, wie man mit ihnen umgeht. Es ist ja auch leicht. Sie band seine rechte Hand an das Eisengestell des Bettes, seine linke Hand, seinen linken Fuß unten an das Eisengestell, seinen rechten Fuß. Er lag auf dem Rücken und sah sie an. Er war wehrlos. Da kletterte sie über ihn, bis ihre Möse über seinem Mund war. Sie sah ihn an. Diese blauen Augen, bei denen sich der Blauton änderte! Und sie pisste los.

Pepi wurde als Erster munter. Er duschte sich, zog sich an, frühstückte unten im Speisesaal, danach packte er seinen Koffer und die Aktentasche, zum Schluss band er seine Krawatte. Er hatte einen sehr seltsamen Traum gehabt.

Als Elena aufwachte, hatte Pepi schon die Krawatte um. „Hast du auch so etwas Merkwürdiges geträumt“, fragte sie.

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