Mark Kanak

GANGAN Lit-Mag #50

Auf Kalymnos

Auf Kos ist nichts los, deutsche Touristen, englische Touristen, bad music, Sandstrände fast künstlich, 259 Liegestühle, 529 Sonnenschirme, besetzt von 925 fetten, eitlen, verfressenen, abscheulichen Menschen.

Wir laufen zum Steg.

Dir fällt allmählich auf, dass manche auch in deine Richtung gehen.

In der zweiten Rhapsodie der Ilias sagt uns Homer, dass Kos zusammen mit den Inseln von Nysiros, Kalymnos, Karpathos und Kassos am trojanischen Krieg mit dreißig Schiffen teilnahm. 

Homer hatte bestimmt wenig mit Menschen wie diesen hier hinter uns zu tun, denkt man sich.

Karten gekauft, wir gehen an Bord, die Treppe hoch, Oberdeck, 25-30 Plastikstühle rundherum verstreut.

Ein griechischer Skipper, der auch im äußeren Hafenbecken gelegen ist und zweifellos eine schlaflose Nacht hinter sich hat, gibt auf und verlässt mit uns die Insel Richtung Kalymnos. 

Von diesen Schiffen hörte man nichts mehr,“ schreit der ältere Mann vor uns als es richtig laut wird. „Nur diese Sea Watch und die Spinnerin, die Kapitänin, die blääde. Die Italiener wollten die auch nicht ans Land lassen“

Besonders der Frühling und späte Herbst sind wundervolle Reisezeiten für Kalymnos. Wir sind hier im Sommer, Ende Juli.

Bei den alten Griechen war es der „deus ex machina“, der in den Tragödien in Erscheinung trat, wenn es brenzlig wurde.

Man schaut nach oben; da kommt keine Erlösung.

Hinter uns: „July was the hottest month ever on Earth!”

Und daraufhin sein Kumpel: “Like I fucking care! All the better for diving, I say!

Nach ca. 15 Minuten taucht vor uns langsam die gebirgige und wild gezackte Silhouette einer Insel auf.

Die Vision für eine bessere Zukunft wurde klammheimlich durch ein Bewußtsein für die Gegenwart ersetzt, ganz im Sinne des „just let it be”.

Von Kos ankommend erreichen wir nach nur eine gute Stunde einen Hafen, die wuchtig wirkt, fast aufdringlich. Nicht ganz dreckig, aber aufgebraucht, pragmatisch, sun-bleached.

Alle wissen schon, dass die Insel vorwiegend durch ihre Schwammtaucher berühmt ist.  Und jetzt als Ziel für Kletterer.

Vor uns: „Taucht man zu tief und kommt zu schnell hoch, kann man nicht mehr laufen!“

Hinter uns: „What’d they say!!!??“ „If you dive too deep and come up too fast, you won’t be able to walk!“.  „Oh, like the Radiohead thing?“  „YEAH!!  Like hat!!“

„Ja, genau,“ flüstert mir meine Freundin zu.

Sea Watch 3, vor Lampedusa, wir, Athena, vor Kalymnos.  Wir gehen ans Land, ziehen Koffer mit.  „Mythos, brauch’n Mythos“.  Schon fast 35 Grad, 10 Uhr morgens.

Nach Ankunft und Ausstieg laufen wir in die hufeisenförmig geschwungene Hafenbucht von Pothia ein, dem Hauptort der Insel Kalymnos.

Einer: Man warte aber auf gesicherte Garantien, hieß es im italienischen Innenministerium dazu. Diese müssten in „Zahlen, Zeiten und Mittel“ übersetzt werden.  Der andere:„Janz jut so!“

Wir warten bis die zwei vor uns in den sich windenden Menschenmengen verschwunden sind.  Menschen, Koffer, Taxis und Einheimischen. 

Die Wassertreppe (im Kopf) besteht aus vier Containern, die auf die Böschung aufgelegt werden und sich in der Neigung aufeinander stapeln.

Hier gibt es keine Wassertreppe.

Anstatt sich zu sagen „Langweile dich nur, wenn du dich genügend gelangweilt hast,“ fällt dir schon ein, was du spielen kannst.  Später.  Als ob gespielt wird ….

Die Stadt ist nicht schön.  Später wirstes bereuen, dass du sowas überhaupt gedacht hast.  Jetzt aber ist es halt so.

Später noch, nach 4-5 Tagen, wirst du eine schöne Frau sehen, unterwegs, aber wenn du dich ihr näherst, wird dir auffallen, dass du ihren Körpergeruch nicht magst – diese Frau ist für dich dann ebenfalls nicht mehr schön.  Dir wird’s dir dann aber auch auffallen – später, am Strand mit deinem Mythos, schwitzend, die deutsche und englische Touristen zuhörend – dass du auch ätzend riechst, mein Herr.

In früheren Zeus-Versionen war dieser Schlüssel fest codiert, weshalb Sicherheitsanbieter die Ziele der Malware erheblich schneller analysieren und entdecken konnten.

Die Lästrygonen und Zyklopen, den zornigen Poseidon fürchte nicht, solcherlei wirst du auf deiner Fahrt nie finden.

Ein Cafe habt ihr gefunden, aber bald hörst du die dir inzwischen bekannten Stimmen schwätzend.

Am Tisch nebenan: The sun will soon burn everything to a crisp.

Und: We need to resolve this problem soon.

Oben, die Unterkunft, der Inhaber schenkt ein.

„I can swim to save my life, that’s about it“, sagst du Georges. Er lächelt dir zu, schenkt noch ein Ouzo ein. Bestimmt hat er nur die Hälfte verstanden. Etwa: I have been swimming all my life, I’m a pro.  „Na gut,“ denkst du, „hier zu sterben ist auch nicht so schlecht,“ sagst Yamas! und trinkst aus.

Inzwischen seid ihr am Strand, 39 Grad und kaum Schatten.

Nach 3 Stunden und 3 Liter Mythos läuft alles ganz gut.  Es ist erst 3 Uhr nachmittags und die Sonne brennt, Sonnencreme wird angeboten, ja, na, ok, egal, gut, später mal.

Ich ertrinke hier, ist nicht zu vermeiden, überlegst du, und bestellst dir noch ein Mythos. Ich werde hier definitiv sterben. 

Dann von hinten ankommend, Liegestühle mitschleppend:

„Ja, genau, und so macht Kunstflug mit der Tiger Moth viel mehr Spaß als mit einem „richtigen” 

Kunstflieger!  Ist so!“

Und von rechts, Engländer:

„My sister died about a year ago. I went to the coast. For me it was a conflict“.

Der psychologische Nutzen von Konflikten: Konflikte können einen Prozess in Gang setzen, durch den die Einzelnen erkennen, dass sie gemeinsame Interessen und gemeinsame GegnerInnenInnenInnen haben.

„There were three times as many women at the funeral as men, I thought I should convey that.“

„I was not there. I was at the coast.“

„The brain is a machine, the head just a device“ überlegst du mal.

Die Schaltelemente, welche die gefahrbringende Maschine letztlich in Gang setzen, müssen sicher  abgeschaltet oder abgetrennt und gegen Wiedereinschalten gesichert sein.

Von hinten:

„Auch mangelnde Bewegung, zu viel Sonnenlicht und Alkoholkonsum steigern das Krebsrisiko!“ 

Und dann wieder von links:

„My sister front-loaded these ailments in her 20s, 30s and 40s, so that by the time she was 56 years old, her body had said, fuck this, I’m leaving now“. „So, like, the brain created a tumor, just to get her attention?“ „Yeah, something like that.“

Und von hinten:

„Eines Tages stellte ich beim Fernsehen fest, dass meine Bar dem gigantischen Versammlungstisch der Vereinten Nationen sehr ähnlich sieht: Was für ein glücklicher Zufall!“

„Zufälle gibt es“, sagt der Freund, „gar nicht, und das hättest du längst lernen sollen, Alter!“

Daraufhin stehst du auf, schwitzend, schaust die Leute an und fängst langsam an, dich vom Strand zu entfernen, vielleicht mal dein Glück woanders zu suchen.

What’s HIS fucking problem?“ „Probably some fucking tourist,“ lacht der Engländer, der Deutsche auch.

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