Malte Meyer

Overload #31

Die große Wut in kleinen Schuhen

Von einem Versuch

Der Junge schwamm, war sein ganzes Leben lang geschwommen, tauchte viel und ging nun endgültig an Land; er war des Schwimmens überdrüssig, setzte sich auf einen Stein und fühlte sich ganz wohl. Als er Hunger bekam, baute er eine Angel und wartete geduldig, bis ein Fisch anbiss, dann noch einer und noch einer. Er schlug sie tot und aß sich satt. Jetzt, da er soviel Zeit an Land verbrachte, wollte er die anderen Jungen treffen. Also machte er sich auf den Weg durch den Wald und sah schon bald einige Kinder auf einer großen Wiese spielen. Der Junge wurde schnell aufgenommen, hatte er doch die Regeln sogleich verstanden, und spielte mit den anderen. Nach einer Weile mochte er die Regeln nicht mehr und spielte so, wie ihm beliebte. Die Kinder wurden zornig und mahnten die Befolgung der Regeln an. So spielte der Junge wieder wie die anderen Kinder, doch blieb ihm die Freude, die sie hatten, versagt. Schließlich wurde er müde und beschloss zu gehen. Die Kinder wurden wütend und warfen ihm Steine hinterher. Verwundert lief der Junge durch den Wald, zurück ans Wasser. Nun saß er unterm Mond und dachte, dass das Spielen doch so schlecht nicht gewesen war. Traurig, dass die anderen ihn so grob verjagt hatten, ging der Junge ins schweigend dunkle Wasser, schwamm, tauchte viel und endlich nie wieder auf.

Rätsel

Den Hasen zu fangen war mäßig schwer gewesen, doch hatte der Junge große Mühe, ihn totzuschlagen. Der Hase wollte nicht sterben, schien den großen Stein kaum zu spüren, den der Junge immer wieder auf seinen Kopf niedersausen ließ, erst mit der stumpfen Seite, dann mit der Spitze, sodass nach der wahnsinnigen Tat kein Kopf mehr war. Nur Blut und Fell, blutiges Fell, wenig Weißes in den Trümmern, die der Junge jetzt ungläubig anstarrte. Er packte den Hasen an den Pfoten und machte sich auf den Weg zum Marktplatz, wo die schönste Frau, die er je gesehen hatte, schon auf ihn wartete. In der Stadt sagte man, wer ihr ein Geschenk bringe, dürfe ihre Brüste berühren, und so überreichte der Junge feierlich den Hasen. Die Frau lächelte liebenswert, nahm den Hasen, legte ihn in einen Korb und knöpfte ihre Bluse auf. Spitz ragten ihre kleinen Brüste empor, die Warzen schienen hart und fest, streckten sich der Sonne entgegen. Gelähmt stand der Junge da, konnte nichts mehr wollen und sah nur, was man sehen musste, weswegen er gekommen war. Schnell war die Bluse wieder geschlossen: der Preis war gestiegen; um den letzten Schritt zu tun, sollte der Junge ein Rätsel lösen. Er zog aus und dachte nach, voll Freude und glücklich wanderte er durch das Land, um den Schlüssel zu finden. Als ihm die Lösung nicht einfallen wollte, dachte er daran, vielleicht jemanden zu fragen. Aber der Junge schämte sich zu sehr und war noch lange auf Reisen, bis er schließlich einen Geistlichen nach des Rätsels Lösung fragte. Der Vater war empört, klagte, die Arme ausgebreitet und den Blick in den leeren Himmel gerichtet, klagte so sehr, dass der Junge lieber gehen wollte. Da zog der kleine Mann ein silbernes Messer und rammte es dem Jungen kräftig in den Rücken. Viel lauter als dessen Schmerzensschrei war die donnernde Predigt des Vaters. Wie im Traum schleppte sich der Junge zum Marktplatz, ein wenig gekrümmt, wusste nicht, ob schlief oder wach war. Die Frau empfing ihn ein zweites Mal herzlich, nickte ihm bestätigend zu und öffnete sogleich ihre Bluse, ohne die Wunde des Jungen zu bemerken. Vorsichtig und mit allem Gefühl der Welt, mit letzter Kraft, berührte er die braunen Knospen und streichelte sie sanft. Schnell hatte er genug, fühlte sich ganz komisch. Zufrieden brach er vor der Frau zusammen. Jetzt war die Rückenwunde sichtbar; sie blutete kaum, war gar nicht groß. Der Junge aber war tot.

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