GANGAN Lit-Mag #50
Flüchtlingsgedicht II
Die Lichter der Stadt prickeln still in der Hitze, in der Wärme
es gibt viele
ausgebrannte Häuser, eingestürzte Häuser
Häuser, die keine Häuser mehr sind
Häuser, die so stehenbleiben dürfen
anklagend, warnend
verlassene Häuser, verfallene Häuser
ein Haus ist eine eingeschlagene Visage
Athen ist ein lächerlich sicherer Aufenthaltsort
höre ich mehrmals jemanden sagen
eine mit einem Griechen verheiratete Amerikanerin sagt beispielsweise
I would go anywhere any time of the day in this city
of course, there are pick pockets, there are pick pockets everywhere
you just have to be aware
das klingt wie etwas zum Anziehen
wear wear wear
Später sagt jemand das Gegenteil
was auch immer du tust: geh hier nachts nicht auf die Straße
die Flüchtlinge, sagt ein zweiter, ein dritter, aus Syrien
sind in Ordnung, aber die aus dem Irak
Afghanistan, die aus Afrika
Raub und Überfälle, Gewalt auf den Straßen
jeden Tag
Die großen Privatyachten im Hafen, was sagen die
Osip Mandelstam sagt über Homer und die Schlaflosigkeit
dass das Meer brüllt, so schwarz, so redegewandt, so voller Schaum
auch der Krieg zwischen Hellas und Troja schickte viele über das Meer
über das Meer und in den Tod
Viele was
viele Menschen
Eine leuchtende Zitrone ist von einem Baum gefallen
ein so wohlriechendes und schönes Ding
für die Hand
oder die Dunkelheit der Tasche
Abends streifen wilde Hunde über die Hügel oberhalb der Stadt
sie sind nicht gefährlich
höre ich mehrmals jemanden sagen
sie erinnern an Wölfe, Wolfrudel
sagen die Leute, aber sie sind nicht gefährlich
ich gehe durch ein Viertel
mit billigen Antiquitäten
überall, oder einfach nur billigen Sachen
überall, ein allumfassender Ausverkauf
ausgebreitet auf Autos, Tischen, Bürgersteigen, Straßen
auf kleinen, schmutzigen Stoffstücken
liegen die Waren
Es fühlt sich archäologisch an
nicht falsch
wie es sollte
Ist es wirklich notwendig zu schreiben
ja
Es fühlt sich archäologisch an
Die Container werden systematisch durchsucht
Die Menschen
gehen ganz ruhig in der Sonne umher
und suchen nach Essen
Flüchtlingsgedicht III
Die Bombardierungen
wirbeln den Sand auf
der Wind
die Menschen
auch der Sand reist über das Meer
Ohne zu wissen
ohne zu wissen wie
ohne zu wissen wie es
enden soll
ohne zu wissen wo
Es soll enden.
Ich phantasiere über die Nordsee
Hugo Mujica schreibt über die Nacht
indem
er auf die Trommel der Nacht einprügelt
und das Leben indem er
auf die Tür des Lebens einprügelt
bis sie aufgeht
er schreibt noch mehr
was ich nicht verstehe
In dem Haus wo ich sitze schlafen alle
mehrere von ihnen mit schlechtem Gewissen
weil sie nicht stattdessen arbeiten
Ich sitze ganz still da
ich höre alles Mögliche
ich höre alle möglichen Geräusche
ich phantasiere über die Nordsee
Der Schmerz in meinen Beinen
und die Müdigkeit in meinen Beinen
die Müdigkeit nachdem ich gegen die Tür einer Laufrunde gehämmert habe
den ganzen Tag
ohne hineinzukommen
aber ich kam rein, ging raus, am Ende
ich bin eine seltsame Trommel
Dieser Selbsthass
dass es jetzt okay ist müde zu sein
war vorher nicht da
als ich genauso müde war
ist auch ein Geräusch
(Übersetzt von Ursel
Allenstein)