Peter Giacomuzzi

GOTO-RETTO
inseln

Es ist zu bewundern, dass einige einzelne Oerter in diesem Reich niemals vom Erdbeben erschüttert worden. Man schreibt dieses der Heiligkeit derer Oerter, und dem Schutz des daselbst herrschenden Götzen oder Geistes zu: andere raisonniren, diese Oerter ruheten auf der Grundveste des unbeweglichen Erdcentrum. Unter besagte Oerter werden gezählt: die Jnseln Goto, die kleine Ins …

Katsuwo: der beste wird um Gotho gefangen; man zerschneidet das Fleisch in vier Theile, kocht es im Dampf des Wassers, troknet es auf und setzet es hiernächst vor zum Trinken.

fährt man von nagasaki aus mit der fähre ca. 3 stunden nach westen, gelangt man zu einer inselgruppe, zu der sich nur wenige ausländische touristen verirren: goto retto, wörtlich: 5 insel inselkette. wer es eilig hat, fährt mit dem tragflächenboot, das braucht nur 40 minuten (ich hatte es eilig). flitzer fliegen. bekannt sind die goto inseln in japan vor allem deshalb, weil hier während der 300 jahre, die japan in einer selbstverordneten isolation zubrachte, das christentum toleriert bzw. nicht verfolgt wurde. japanische christliche inseln. grund genug, der exotik ihren freien lauf zu lassen. kirchen als tourismusziel in japan. so kam ich als gekünstelter heide unter die natürlichen und fand mich mitten in der vertrauten kirchturmarchitektur wieder. aber nicht deshalb sollte man nach goto fahren.
gründe für eine reise irgendwohin hat jeder selber zu finden, so viele gibts, wie menschen und orte auf der erde. tourist-sein ist zwar ein recht schäbiges selbstbekenntnis, kein-tourist-sein-wollen jedoch kein besseres. seit dem ende der exotik gibt es die anti-, post-, a-exotik, alle wissen wir über alles bescheid, und wenns die eingeborenen auch noch nicht begreifen wollen/können, über ihr glück/unglück können wir ihnen jederzeit auskunft geben. wozu bräuchten wir denn sonst eine informationsgesellschaft?
ob das aber noch geht? ich steh auf dem strand in takahama, keine menschenseele, sand, ruhe, wind. im schädel überlappen sich erinnerungen, bilder, gerüche und laute. barfuß im seichten wasser. zwischen den zehen wandern die körner, werden wieder weggespült. wen interessiert das schon. die gleichzeitigkeit der empfindungen ist nicht mitteilbar, einzelne segmente nur noch, wenn künstl/er/i/s/ch verpackt, alles andere haben wir in unseren computern. draußen zieht ein tanker vorbei. umweltverschmutzung schreit meine schule. und ruhe empfindet der unachtsame schüler, wenn er nicht dem gesabbere des propheten sondern draußen dem flugzeug noch weit hinter die sichtbarkeit folgt.
bevor aber der strand von takahama, noch ein liebeslied. und voll von hoffnung. nagasaki. atombombenstadt. wüßten wir nichts, wir sähen nichts. das leben war stärker. eine bucht wie im bilderbuch, hügel ringsum, die straßenbahn erduldet die hektik und beruhigt sie. das bombenmuseum und der peace-park dazu errichtet, die erinnerung nicht verstauben zu lassen. die geschäftsbetuchte welt von tokyo, die in die vornehm arrogante welt des nichts-sehen-wollens flieht, hat hier keinen raum. südländische gelassenheit und neugier. wie alle hafenstädte mit viel möglichkeiten hinter dem horizont, von denen man gut träumen kann. nur eine große straße quer durchs wohngebiet. ansonsten gassen und wege, die hänge übersät von schachtelhäusern. große segelschiffe gibt es keine mehr, aber es könnte jederzeit eines wieder einlaufen, mit dem totenkopf am mast gehißt.
in dejima haben die holländer während der isolation eine mini-kolonie aufrecht erhalten. eine künstliche insel, ca. 200 x 500 m groß, mit der stadt durch eine kleine brücke verbunden, davor ein schweres tor. verbannt in der ferne waren die langnasen hier, und doch immer wieder einige verrückte, die fasziniert waren und möglichkeiten suchten und fanden, informationen übers „festland“ zu bekommen. „das tor zu europa“, dieser flecken erde und die köpfe einiger verrückter. siebold, kämpfer, thunberg, aber wen interessiert das noch in der post-exotik. heute ist dejima nicht mehr auszumachen. zusammengewachsen mit der stadt. nur hinweisschilder weisen hin. hafenarchitektur. wenn man jedoch auf die hügel dahinter steigt, wenn man sich ein bißchen anstrengt, wenn man guten willens ist, dann sieht man recht deutlich und weiß, dass der holländische handelsplatz dejima gut gewählt und ein schönes gefängnis war. nach der öffnung des reichs haben sich die reichen handelsleute gleich die schönsten plätzchen ausgesucht und pompöse villen errichtet. die haben sogar die bombe überstanden. historische fatalitäten/glücksfälle.
auch in nagasaki kirchen. japanische klosterfrauen. pfaffen in kutten keine gesichtet. die bombe hat einen ganzen kilometer einfach ausradiert, einige andere kilometer völlig zerstört. nichts mehr zu sehen davon. die phantasie versagt kläglich. ein videofilm im museum hilf nach. brennende erde, brennende leute. kein feind wird gezeigt. der feind ist die bombe. würde man den feind zeigen, müßte man an eigene bomben denken, die anderswo elend einflogen.
anfang mai ein angenehmes klima, tagsüber warm, die nächte noch erfrischend kühl. in dem kleinen hotel an der hauptstraße werde ich um 5 uhr morgens aus dem schlaf gerissen. sirenengeheul. auf der 8-spurigen straße fährt ein motorradler amok. auf und ab, links und rechts, verhelmt, vermummt. die polizei anfangs hinterher. wie im zeichentrickfilm. dann nur mehr das motorrad alleine heult an meinem fenster vorbei. überall blaulichter. alle straßen versperrt. man wartet. irgendwann wird ruhe sein. und bald hör ich den motor absterben. solche nächte brauchen keine videotapes.
auf den hügeln von nagasaki müßte man begraben sein, die zeit und der raum gäben stoff für die ewigkeit. das wasser macht träge, stundenlang könnte das bild von der bucht in mich getrieben werden, ich möchte mich nicht wehren. hierher mit dem schiff einfahren und madame butterfly stirbt an der hoffnung. ich bin mit einer boeing eingeflogen. der flughafen weit weg von der stadt, man braucht knapp eine stunde mit dem bus. im sommer soll es unerträglich heiß sein, das meer aber bringt frischluft, und essen und trinken und lieben verschieben das klima in normalitäten. hier wurden 1597 20 japanische christen und 6 spanische franziskaner nach ihrem vorbild gekreuzigt, die sich weigerten, ihrer religion abzusagen. sie wurden allesamt ende des 19. jh. selig gesprochen. bete, wer kann. das christentum hat die schande wieder gut gemacht. die bombe gottes, der gerechtigkeit. glaube, wer kann.
aber das reiseziel ist ja goto. um 7 uhr morgens mit dem tragflügelboot übers meer. so gemütlich wie mit einem superexpress durch eine historische altstadt. zumindest schläft es sich gut. zu sehen ist nichts. sitzen bleiben wie im flugzeug, nur zum pipi machen wird aufgestanden. fukue ist die hauptstadt von goto. schätzungsweise 30.000 einwohner. sieht aus, wie alle anderen städte auch. wenn grad kein großes kaufhaus in der nähe ist, ist alle andere architektur recht austauschbar. häuschen an häuschen (tucholski läßt grüßen: in japan ist alles so klein …).
da die zeit teuer, das geld zufällig billig ist, miete ich, wies der reiseführer verlangt, ein auto und genieße nach langer abstinenz wieder einmal privacy auf vier rädern. die stadt bald verlassen, hinaus und hinein in das unbekannte. winnetous umsicht hat mich gelehrt, nach der sonne zu schauen, so fahr ich gen westen und rieche das meer. nur landschaft ringsum. zwischendurch ein paar häuser, überdimensionale karpfen aus plastik (bis zu 10 m) wehen im wind, es ist die zeit des knabenfestes, da wird die maskuline potenz der familie mit stolz in den wind gehängt. verkehr gibt es wenig. die straße, wie fast überall in japan, in perfektestem zustand, für so wenige autos wie ein perserteppich. irgendwohin muß das erwirtschaftete geld ja doch. tempolimit 40, oft 30. niemand hält sich dran, ich natürlich auch nicht. aber viel schneller gehts eh nicht, zu viele kurven, wenns einmal gradaus geht, steht sicher irgendwo eine ampel auf rot.
winnetou hatte recht. bald ist die südküste erreicht. links? rechts? der häuptling sagt rechts, nach westen, dort wird die sonne untergehen, dort hinter den hügeln liegt der große see, woher der weiße mann gekommen … wieder nur landschaft und reisfelder, allerlei gemüse, menschen sind wenige zu sehen. hunger meldet sich. immer der küste entlang, wunderbares nichts. keine hotels, keine strandpromenaden, keine restaurants. und doch. wie gerufen. das einzige weit und breit grad zu der rechten zeit. der frische fisch zappelt im aquarium, kurze zeit später liegt er zerkleinert auf dem teller. als barbar bei den barbaren.
nur weiterfahren, nur das meer vorbeirauschen lassen. auf einer seite im schiff, auf der anderen im zug. so fährt es sich ruhig. die straßenkarte hat mich belogen, schändlichst in die irre geführt, der häuptling hat mich bestraft, anstatt seinen sinnen zu folgen hab ich mich den trügerischen zeichen hingegeben. da stehst du nun und weißt nicht mehr wos langgeht, weil die sonne hat sich auch versteckt, und die japanischen schriftzeichen sind und bleiben spanisch. kein mensch in sicht. winnetou will wieder ans meer. er findet es bald, sicher lenkt er den wagen durch kleinste feldwege und wieder an der küste gelandet. wiesen. alles grün. bis hinunter zum wasser. die straße inzwischen eher ein schöner radlweg. kein feind in sicht. das gelände hügelig. es wird langsam abend, ein platz für das lager sollte gefunden werden, der horizont wie in paris, texas, mir wird recht mächtig in der brust, mein feuerstuhl, der häuptling und ich.
wir reiten ein. dem nordkap der insel entgegen, vorne die paar hütten, dahinter noch einmal eine insel zur dekoration, ein paar flache hügel sind noch zu bewältigen. kein saloon, kein hotel, nichts. lässig die fensterscheibe herunterlassen, eingeborene fragen. nichts hier. wo? ja, das weiß man auch nicht so recht. wer sucht denn hier schon ein zelt? wunderschön wär es gewesen, die einsamkeit, das meer, der häupling und ich. das gefühl, ich bin im meer. mitten drin, umlullt von wassertropfen, so muß es gewesen sein, als wir in mutters bauch herumschwammen. weiter. langsam wird die sucherei ungemütlich, was zum essen wär auch nicht schlecht, die vorstellung im auto zu übernachten zwar verheißungsvoll, aber viel zu anstrengend, wieder nach fukue zurück ein unerwünschtes erwachen aus dieser reise.
und plötzlich war ich in miiraku. wie gesagt, am nordwestzipfel. eine größere ortschaft, 2-3 tausend leute, und das erlösende schild einer pension. falls die zeichen nicht schon wieder trügen. aber nein, es ist wirklich eine. ruhig, preiswert, blick aufs meer. ich mache noch einen rundgang durchs kaff und laß mich bewundern. viele ausländer sind hier noch nicht gestrandet, meine lange nase bürgt für respekt, tief einatmen, die seeluft, die selbstherrlichkeit. brust heraus, die hand lässig am colt, zigarre im maul. nimm doch endlich die pfeife aus dem mund, du hund. ein kleiner platz, zwar nur für den bus in die hauptstadt, verkehrt halbtägig, aber immerhin. ein gutes gefühl, so ein platz in einem dorf am meer. irgendwo wird getrommelt. keine marschtrommeln, trommeln die dem herzrhythmus den takt geben, die bis ins zwerchfell gehen und dir dort die schmetterlinge flattern lassen. in einigen häusern sind die geschmückten altäre für den totengedenktag (3. mai) zu sehen. die christen feiern buddhistisch, die toten freuen sich aufs frische obst und auf dem friedhof am strand schleicht eine schlange durch die steine, es sei ihr vergönnt.
im hotel wartet das abendessen. hotel ists wohl keines. pension vielleich. minshuku sagen die eingeborenen. sie kennen keine betten. man liegt auf dem boden. aber das weiß der aufmerksame leser ja alles schon längst über japan. auch, dass heutzutage kaum noch jemand hier auf dem boden liegt. wer was auf sich hält bettet sich. aber in goto. vor dem abendessen ins bad. ein kleines, aber immerhin. einseifen, waschen, einseifen, waschen, gut spülen, sooft man will, dann, und erst dann, in das heiße wasser in der wanne. schließlich müssen da auch noch andere hinein! das heiße wasser hinterläßt spuren, öffnet die haut, läßt luft hinein und pickel heraus. der blutdruck tanzt, jetzt ein bier, winnetou, wir sind am lagerfeuer, hol die bärentatzen unterm sattel hervor und das feuerwasser. selten ist der fisch so kurz gestorben wie hier. das eßzimmer riesig, keine anderen gäste, dafür aber ein überdimensionaler fernseher, auf dem gerade ayrton senna zum xten mal in den tod fährt. ein so großer bildschirm vernichtet alles rundum, ist stärker als goto, als das meer, ich schau mir also sennas tod so oft an, als mein essen dauert.
nach dem abendessen, es ist höchstens 7 uhr, was macht man mit so einem angebrochenen abend? draußen schon tiefste nacht. das nachtleben nicht vorhanden. gar kein puff hier im kaff? ist ja eine zumutung. ich wär grad in der stimmung, die puppen tanzen zu lassen. sowas überkommt mich oft und jedesmal, wenn grad meilenweit keine puppen vorhanden sind. im zimmer noch ein altertümlicher fernseher, funktioniert mit münzen, pro halbe stunde 100 yen, aber nur das normale programm, kein video, nix pornojapan, wie sonst in jeder besseren spelunke. ein bier. aber so allein im zimmer. die ruhe zu ruhig, die nacht zu lang. lieber arno schmidt, du hast es als erster gelesen: in solchen momenten nehmen winnetou und old shatterhand ihre büchsen zur hand und beginnen sie liebevoll und ausdauernd zu putzen. vorbereitungen auf den knieschuß. dann rauscht das meer wieder ruhiger, und die wellen tragen den körper und der vollmond die seele.
fischfrühstück. ein bißchen salat, reis, ein kaltes spiegelei, etwas gemüse, algen. und tee natürlich. reist an, ihr koffeinabhängigen, man kann auch ohne schwarze suppe dem darm den morgensport ermöglichen. das auto ein prunkstück. vor der weiterreise wird es gestriegelt, verhätschelt, ich setz mir die sonnenbrillen auf, meine weißen jeans, barfuß, dann fahr ich den strand entlang, hinein in das seichte wasser, hinein in das meer, mein auto ein u-boot, die fische begleiten, delphine winken uns zu. ein strand am morgen, den kopf wollt ich in den sand vergraben und in die erde sehen, aber das auto will weiter, fährt an der nordküste entlang richtung osten, fjorde gibts wunderschöne, doch fjord und japan, das paßt irgendwie nicht zusammen.
mein fahrzeug will zur kirche. die bekannteste von der ganzen insel, ganz oben im nordosten. doraziki heißt das zeug. direkt am strand gelegen. müßte man das mieten, wär man ein vermögen los. die pfaffen aber sind clever, reißen sich im namen des herrn alles unter den nagel und verlangen dann auch noch eintritt. irland oder schottland. die kirche, die wiese, das meer. ruhet die tage, der nächte dämonen rauben weiber und kind. könnte in der bibel stehen. in doraziki stand die luft mild über der erde, es schwebte sich an der erdoberfläche dahin, von insel zu insel, die da alle im wasser lagen. gott sei dank waren da aber ein paar so verdammt süßliche japanische pilger, grundhaltung: huch! wie süß, die langnase da, so eine weite reise, um hier zu beten, gebenedeit usw. da kann die luft ruhig und mild sein wie sie will, mir zuckt der bi- und trizeps, ein rascher schritt und ich steh wieder im leben.
in die kirche allerdings muß gegangen werden, hab schließlich ja doch einiges zu klären mit dem herrn. schönes kreuzgewölbe aus holz. nicht sehr hoch, also fehlt das erhabene, was ja ganz sympathisch ist. eher ein museum als ein bettempel. und hinter einer glasvetrine find ich sie dann, meine exotin. die muttergottes oben ohne und der kleine fratz zutzelt an der zitze. das erfreut jedes herz. die story wird sofort freundlicher, und ich bleib da lange stehen, ich und madonna, das gäb ein gutes paar.
beim hinausgehen dankte ich dem alten wortlos für die gelieferten visionen. so kann auch eine kirche allerlei gutes tun. auf dem kleinen platz dahinter gibt es einen japanischen gekreuzigten und siehst du, häupling, selbst den marterpfahl haben die hier heimlich manipuliert. der hängt nämlich nicht, sondern man hat aufs kreuz noch ein kleines brett genagelt, worauf des märtyrers hinterteil ruht. ein sitzender gekreuzigter. aber die hattens damals auch dringend nötig. es wurde hier nämlich nicht genagelt sondern gezündelt. aufs kreuz gebunden und rundherum ein schönes feuer gemacht, bis alle gar waren. das liest sich so:

… warden auf dem Gerichtsplatze so viel Pfähle in die Erde geschlagen / als Menschen solten verbrant werden. Anderthalb Klaftern von diesen Pfählen ab ward das Holtz rund herüm in die höhe geschichtet: doch also dass man eine Lücke lies / dadurch die verurteilten zu den pfählen konten geführet werden. Dieser Eingang oder Lücke ward alsobald mit Holtze verleget / wan man den Brandling unten mit den Füßen / und oben mit der einen Hand an den Staken fest gebunden: und darauf der Holtzhauffen rund ümher angezündet. Doch zuweilen pflegte man die gemelte Lücke / wan der Wind darauf zu sties / offen zu lassen; damit der Brandling durch den rauch und schmauch nicht ersticken / und also die Pein üm so viel länger fühlen möchte.

es wurde also gesessen, damit das schauspiel ein bißchen länger dauern konnte. jetzt sitzt er da in stein gehauen, hab geduld, auch der stein dauert nicht ewig, dann wird wohl deine pein einmal ein ende haben. los häupling, nichts wie weg hier. was haben wir damit zu tun. wir sind für den frieden, blutsfreund. nur in notfällen, aber das hier ist ja keiner. und weil die sucht nach kirchen als landschaftsbilder erweckt war, hab ich mir einen kahn gemietet und mich aufs nächste eiland schiffen lassen, wo noch so etwas stand. auch am strand, aber auf einem kleinen hügel, weiß in weiß getüncht, etwas größer. vom schiff aus ein gutes foto wert, aber dann davor recht trist und einsam, nur die kirche, sonst nichts, eine kirche, eine leere straße, ein kleiner laden. das hatten wir doch schon irgendwo. einmal genügt. also bootsmann, häng dich in die riemen, ich will wieder zurück. und dann mit dem auto ein paar runden drehen. je schmaler der weg, desto lustiger wirds. hügel hinauf, was gibts dahinter? wasser. kehrt euch und zur nächsten erhebung, es wird, wer weiß was wird, dahinter wird sich unglaubliches verbergen, eldorado, lilliput. und wieder wasser, wasser, wasser. so bin ich durch die landschaft gekurvt, so ritten wir über das feld. und vieles erlebt und gesehen, nur eines nicht, nur das wichtigste nicht. wo saufen hier die gelassenen ihr kühles bier auf der terasse am meer? nicht aufzutreiben. manchmal scheint es so von weitem, ist man dann dort, ists eine tankstelle, oder die post oder geschlossen. die kaltherzigkeit der leute ist grenzenlos. aus dem automaten ist der stoff nur halbsosüß, eine bedienung will ich, ein weib im bikini und die sonne soll auch schauen, dass sie bäldigst rot und röter wird. doch das bier aus dem automaten. sonne keine, weils bewölkt ist, der sonnenuntergang findet auf der anderen seite der insel statt.
endlich dann wieder dort, wo das warten seine hektik verliert, wo die zeit dazu da ist, in ruhe verbraucht zu werden, wo der gegensatz zwischen der unsichtbaren bewegung der sandkörner und der sichtbaren ruhe des meeres dir kurzfristig deine körperlichkeit entzieht, weshalb du geneigt bist zu glauben, auch in würde sterben zu können. endlich in takahama. wäre nicht die straße gleich in der nähe, man könnte auch glauben, dass robinson noch auftauchen könnte, freitags spuren folgend, und wir ihm heimlich zeichen setzen könnten, damit er den rechten weg in seinem dasein finden kann. es wär ganz einfach. ich bräuchte nur ein handyphon, vom einzigen betrieb aus hier in der gegend, einer kleinen pension direkt am strand, und ich würde robbi direkt her zu mir lotsen, auf ein schnelles bier, ein paar aufmunternde worte. sei ruhig, es geht gut aus, hab vertrauen, reiß dich zusammen usw. das meer löscht alle spuren am strand, nur die eigenen bleiben, nur der angeschwemmte teer, und ein paar plastiksäcke. für das ausgehende zweite jahrtausend ein sauberes stück erde. was interessieren mich noch die christen auf goto. sieh dir doch lieber die sonne an, winnetou, laß dir den arm um die schulter legen, laß dich erwürgen aus zuneigung hier. und schau, wie sie untergeht und rot wie dein feuer. die rote sonne. japan geht unter. voller pracht ersauft es im wasser. es geschieht ihnen recht, den arrogantlingen, die sich mit solch einer vermessenen symbolik schmücken möchten. wahrscheinlich ist der jetzige japanische kaiser noch nie hier gewesen. das beruhigt. die sicherheit, dass der herrscher, auch wenn er wollte, sein reich auf keine fälle gänzlich, flächendeckend bereisen kann. bis zu seinem lebensende werden noch unzählige weiße flecken in seinen reiserouten bleiben. der strand von takahama gehört mir ganz allein, des kaisers bürokraten sind doch viel zu blöd, den herrn alleine hier das leben zu betrachten lassen.
ein paar fische springen in der bucht. aus freude, aus luftmangel, das schert mich nicht. was zählt sind einzig und allein die bilder, töne und gerüche, in einem längeren augenblick festgehalten. ich atme nicht mehr, wasser und sand lösen den körper auf. ich eil der sonne nach und halt sie über wasser, ich laß mich von dem ball am wasser tragen. es spiegelt sich der himmel und versinkt im tiefen loch. ich falle auf den grund und meine kiemen öffnen sich zur rechten zeit.
der wind bläst mir den letzten rest gefühlserregung aus dem leib. mir ist plötzlich kalt. ich hab genug von der natur, ich pfeif auf einsame strände, ich will leben, will leute, will in die stadt. nach fukue zurück, dort bin ich zuhaus, dort gibts lichter und autos und straßenlärm. ein hotel, so wunderschön unpersönlich, dass es überall sein könnte, ein bett, eine naß- und näßzelle, ein tv mit eingebautem gv. uniformen heben auf, wickeln ein, der tiefe schlaf überfällt die erregung, das hotel auf dem hügel, der hafen davor, der flughafen dahinter. nichts, was nennenswert wäre, befreiend.
und abendprogramm. der lust des fleisches wird die lust nach fisch zur seite gestellt. hinein ins lokal. an der theke wird nicht gesoffen, sondern bestens gespeist. der alkohol nur als redeanlaß. geredet wird viel. der kravattierte eingeborene neben mehr mir fängt auch bald an. über gott und die welt, mein wortschatz ist klein, die themen werden immer größer. und bei so viel zuneigung wird auch nur das feinste vom feinsten bestellt. der fischmeister hinterm thresen recht mißtrauisch, die langnasen verstehen vom fressen nun gar nichts, er ziert sich, verzögert, rät ab, aber mein freund wird beharrlicher, schließlich sind das ja auch nur menschen, die essen schon, keine angst, im notfall würde er auch alles ganz alleine. also muß der meister ans werk. hanko-fugu heißt die köstlichkeit. kasten-kugelfisch. ein mit den eigenen innereien gratinierter fisch, dessen galle tödlich schmecken soll. ich eß alles, es schmeckt ausgezeichnet, nach wildpastete. und dann noch ein prost auf den chef und tschüs und ciao und ins bett ohne rast.
am nächsten tag noch: einkaufen und streunen, sich vorstellen wies gewesen sein könnte und wie es sein könnte. mit mir, mit der insel, mit dem leben. mitten in fukue ist innerhalb von gewaltigen burgmauern noch eine wunderschöne japanische villa mit garten zu besichtigen. immer wieder zentren des nichts, der auflösung. ein schwert her, winnetou, ich schlitz mir den bauch auf und streu die gedärme verächtlich in den teich. ach häuptling, du hast halt keine ahnung von schwertern, von der weichen kälte der schneide an deiner kehle, von der arbeit und mühe und kunst, die klinge auch sauber aus dem menschlichen dreck zu ziehen. du siehst immer nur landschaft und hörst an den schienen das nahen des zugs, du bist immer 100% nach außen. nach innen mußt du, ganz sicher hinein, bis du dich verlierst und deine mokassins im innern des schädels spürst.
zweimal gelagert hier auf der insel. billig, teuer, je nach geschmack. hast du das geld, ein pappenstil, hast du keins, ein vermögen. unentschlossene möchten immer, tun es nie, sparen und krepieren. auf goto zwei drei tage. hier wohnt die ruhe, ein paar götter und du ganz alleine. einmal nur mit den augen leben, ohne bewegung, um 360 grad. das aug in dem dreieck verläßt die begrenzung und ruht sich in goto aus.

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